Hinweise zur richtigen Trocknung von Lehmputzen
Hinweise zur richtigen Trocknung von Lehmputzen
Lehmputze sind seit vielen Jahren als baubiologisch besonders empfehlenswerte Wandbeschichtungen anerkannt. Da eine schnelle Trocknung ohne Schimmelerscheinungen
erwünscht ist, muss nach dem Auftrag für gute Belüftung gesorgt werden. Der folgende Text erklärt die Mechanismen der Trocknung und gibt Hinweise zur Durchführung.
Diese Hinweise sind auch für andere Baustoffe nützlich, die keine fungiziden Bestandteile beeinhalten, jedoch nass eingebaut werden oder während der Bauzeit hohen Luftfeuchten ausgesetzt sind.
Wie funktioniert Trocknung?
Der Trocknungsvorgang basiert auf dem Ausgleichsstreben zwischen feuchter und trockener Luft. In der Nähe der Grenzflächen nasser Materialien ist die Luft mit Wasserdampfmolekülen gesättigt oder angereichert, weiter entfernt nimmt die Konzentration
ab. Die dicht gelagerten Moleküle verteilen sich in weniger belegte entferntere Bereiche, mechanische Luftbewegungen unterstützen diesen Vorgang.
Was ist die „Relative Luftfeuchte“?
Die Luftfeuchte wird als Prozentwert angegeben. 100% entspricht dabei der Grenze der Aufnahmefähigkeit, der Sättigung. Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen als kalte. Zur Wasserdampfsättigung sind beispielsweise für 0 °C kalte Luft 4,85 g/m³ Wasser nötig, für 20 °C warme Luft sind es 17,30 g/m3. Das entspricht einem Faktor von ca. 3,5!
Feuchteaufnahmefähigkeit der Außenluft
Wird trockene Außenluft an feuchte Flächen herangeführt, so nimmt sie Wasserdampfmoleküle auf. Je trockener die Luft ist, umso mehr Wasser kann sie aufnehmen. Der Temperatur- und Luftfeuchtegehalt der Außenluft unterscheidet sich jahreszeitlich und regional.
Die warme Sommerluft kann grundsätzlich größere Wassermengen aufnehmen als die kalte Winterluft. So beträgt die theoretische Aufnahmefähigkeit der Luft bis zur Sättigung in Köln im Januar nur 1,0 g/m3, im Juli dagegen 4,5 g/m3. Ganz anders wird die Situation, wenn die kalte und absolut gesehen trockene Winterluft auf der Baustelle aufgeheizt wird. Bei einer Baustellentemperatur von 15 °C beträgt die Differenz zwischen dem Wassergehalt der Januar-Außenluft in Köln und der gesättigten
Innenluft 8,2 g/m3. Dies ist die Menge, die dann über die Lüftung abgeführt werden kann.
Im Sommer ist dagegen sogar eine Auffeuchtung der Baustelle bei Außenlufteinströmung möglich, beispielsweise wenn schwül-warme Gewitterluft an Bauteiloberflächen abkühlt, die aufgrund der Wasserverdunstung kalt sind. Gleichzeitig herrschen bezüglich der Temperatur beste Wachstumsbedingungen für Schimmelpilze. Im Spätsommer ist deshalb besondere Aufmerksamkeit geboten.
Bei einer ungeheizten Baustelle im Winter sowie im Spätsommer sind große Luftmengen für die Trocknung nötig. Eine geheizte Winterbaustelle ist dagegen leicht zu trocknen.
Luftwechselrate und nötige Luftmengen
Auf frisch verputzten Lehmputzbaustellen muss Durchzug gewährleistet sein, das heißt alle Fenster und Türen müssen rund um die Uhr geöffnet bleiben. Besonders effektiv sind Öffnungen in gegenüberliegenden Außenwänden. Die Luftwechselrate (= Faktor für den Austausch des gesamten Luftvolumens pro Stunde) kann bei geöffneten Fenstern mit 4 oder größer angenommen werden. Sind Fenster und Türen geschlossen, so ist die Luftwechselrate 0,8 oder kleiner. Das Luftstromvolumen reduziert sich in diesem Fall auf 1/5 oder weniger der Menge, die bei geöffneten Fenstern wirksam wäre.
Zur Trocknung feuchter Putzflächen sind generell recht große Luftmengen nötig, wie ein Beispiel zeigt: 1 m3 Lehmputz (2 cm Dicke, 50 m2 Fläche) enthält gut 200 l Anmachwasser. Es müssen also, vereinfacht angenommen, 200.000 g Wasser durch die Lüftung abgetrocknet werden. Im Monat Mai kann die Raumluft maximal 3,5 g Wasser pro m3 aufnehmen (Fall Köln). Bei geöffneten Fenstern und 60 m3 Raumluftvolumen können 20.160 g Wasser in 24 Stunden herausgelüftet werden, bis zur vollständigen Trocknung vergehen demnach bei geöffnete n Fenstern knapp 10 Tage. Bei einer Luftwechselrate von 0,8 wären es 50 Tage!
Maschinell unterstützte Trocknung
Bei der Gebläsetrocknung wird der natürliche Luftwechsel unterstützt. Das Gebläse ist so zu plazieren, dass Zu- und Abluft gewährleistet ist. Der Volumenstrom muss das Gebäude verlassen. Umluftbewegungen verteilen die Luft zwar gut, sind aber davon abgesehen nicht effektiv. Einfache und kostengünstige Mietgeräte können einen Volumenstrom von einigen 100 m3 bis zu 1.000 m3 und mehr pro Stunde erzeugen. Als Heizluftgebläse können sie zusätzlich die Aufnahmefähigkeit der Luft um Größenordnungen steigern. Die Luft muss möglichst ungehindert an allen feuchten Bauteiloberflächen vorbei streichen können. Zu bedenken ist ggf. die erhebliche Verteilung von Baustellenstäuben, diese können Sporen und Nährstoffe enthalten.
Kondensations- oder Kältetrocknung funktioniert nach dem Wärmepumpenprinzip. Das Wasser kondensiert an den Kühlflächen eines Kältekompressors. Kondensationstrockner arbeiten im Umluftbetrieb, Fenster und Türen müssen deshalb geschlossen bleiben. Die Wasserbehälter sind zu entleeren. Die Trocknungsleistung eines Gerätes kann bei mehreren 10-30 l Wasser pro 24 Std. liegen. Die Trocknung ist gleichmäßig und schonend. Bei Temperaturen unterhalb 15 °C sollten Sorptionstrockner eingesetzt werden.
Die maschinelle Bautrocknung ist einfach durchführbar und sehr leistungsfähig. Dies darf jedoch nicht zu Übertreibungen verführen. Zu schnell trocknende Putze bauen Spannungen auf, die aus der Schwindung der trockenen Oberflächen im Vergleich zu den noch feuchten tiefer liegenden Schichten resultieren. Je dicker der Auftrag, desto größer ist die Gefährdung. Im Extremfall entstehen massive Schwindrisse, die zu Aufschüsselungen bis hin zum Verlust der Putzhaftung führen können.
Andere Feuchtequellen
Zusätzliche Feuchte beispielsweise aus nass eingebrachten Gipsputzen und Estrichen kann die Trockenlast vervielfachen. Auch Trockenbaustoffe oder bereits getrocknete Flächen können dann erneut in einen kritischen Feuchtezustand geraten. Manchmal gibt es jedoch Interessenskonflikte, beispielsweise wenn ein nass eingebauter Estrich in der ersten Woche ohne Durchzug trocknen soll. Deren Lösung muss in die Koordination der Baustellenabläufe einbezogen werden. Schlechte und zu langsame Trocknung ist keine Lösung!
Trocknungsprotokoll
In der Putz-Anwendungsnorm DIN 18550-2 (6-2015) „Putz und Putzsysteme-Ausführung (Innenputz)“ sowie im Technischen Merkblatt TM 01 (6-2014) „Anforderungen an Lehmputz als Bauteil“ des Dachverband Lehm e.V. (DVL) wird die Überwachung der Einhaltung ausreichender Trocknungsbedingungen bei kritischen Anwendungsfällen gefordert. Zweck ist es, temporäre Schimmelerscheinung auf den feuchten Oberflächen zu verhindern oder zu minimieren. Die Überwachung ist in einem Trocknungsprotokoll nachvollziehbar zu dokumentieren. (Siehe Kopiervorlage auf Seite 10.)
Anwendung
Ein Trocknungsprotokoll sollte insbesondere geführt werden wenn:
- Schichtdicken von mehr als 1,5 cm trocknen müssen
- Putz auf schlecht saugenden Untergründe (z.B. Beton) aufgebracht wurde
- Baustellen hohe Luftfeuchte aufweisen (z.B. nach Estricheinbau)
Bei allen mehr als dünnlagigen Aufträgen (> 3 mm Dicke) ist die Führung des Trocknungsprotokolls empfohlen.
Trocknungsmaßnahmen
Trocknungsmaßnahmen sind natürliche Be- und Entlüftung (Durchzug) oder maschinelle Bautrocknung. Die Maßnahmen sind von den am Bau Beteiligten abzustimmen und im Protokoll zu beschreiben (z.B. „8 Fenster ununterbrochen geöffnet, 2 Türen 10 Std. pro Tag geöffnet“ oder „Ununterbrochener Einsatz von 2 Kondensationstrocknern, Fenster und Türen geschlossen“). Die Maßnahmen sind so zu wählen, dass alle verputzten Flächen möglichst gleichmäßig erfasst werden. Vorsicht: Ein massiver Einsatz von maschineller Bautrocknung (Trocknungsgeräten) kann Spannungsrisse im Putz verursachen!